Wir glauben oft, dass wir nur starten können ein Produkt oder ein Service zu "launchen", wenn wir alles zu 100 % fertig haben. Alle Systeme, alle Automationen, alle Prozesse. Wir wollen alles auf Hochglanz poliert haben, bevor wir auf den "Launch"-Button drücken. Dass uns aber genau dieser Perfektionismus eher schadet oder alles verzögert, wird uns meist erst später bewusst.
Oft erlebe ich auch, dass Gründer nicht über ihre Produkte sprechen wollen, wenn diese aktuell noch in der Entwicklungsphase sind. Begründet meist mit der Angst vor dem Klau ihrer Ideen. Einen Aspekt, den ich natürlich in gewisser Weise nachempfinden kann. Viel höher aber, ist das Risiko, viel Zeit und Aufwand in ein Produkt zu stecken, welches dann bei der Veröffentlichung von der Zielgruppe nicht gut angenommen wird. Vielleicht löst es gar kein echtes Problem oder die Nutzer sind einfach nicht bereit den angegebenen Betrag zu zahlen und sie sehen keinen echten Mehrwert in der Lösung.
Ich selbst erkenne mich in diesem Abschnitt wieder. Viel zu schnell passiert es, dass man sich in sein Produkt verliebt und dieses erst in vollem Umfang ausarbeiten möchte, bevor man es seinen Kunden präsentiert. Diese sollen ja schließlich nicht den Eindruck bekommen, dass man nur halbe Sachen macht. Das ist allerdings weder smart noch effizient.
Alexander Sprogis
Gehe mit deiner Idee raus und präsentiere sie deiner Zielgruppe. So schnell wie möglich. Das ist der einzige Weg, um dein Produkt oder deine Dienstleistung zu validieren, bevor du all die Kraft und Zeit in die Umsetzung investierst.
Wie genau du vorgehen sollst? Keine Sorge, hier bleibt keine Frage unbeantwortet. Natürlich sollst du nicht einfach willkürlich Freunde und Bekannte fragen, ob sie deine Idee für gut befinden. Menschen, zu denen du eine persönliche Beziehung hast, werden in den meisten Fällen versuchen deine Gefühle nicht zu verletzen und so eher mit dem Kopf nicken, statt ihn zu schütteln.
Aber nochmal einen Schritt zurück.
Konzentriere dich auf den Kern deiner Idee und mach dir klar, welches konkrete Problem sie löst. Finde dann einen Weg, um die kleinst mögliche Version deiner Idee schnellstmöglich in die Tat umzusetzen. Dabei muss es sich nicht um ein funktionierendes Produkt handeln. Baue zum Beispiel einen Pretotyp.
"Pretotyp?", fragst du dich wahrscheinlich. Bei dem Konzept des "Pretotypings" welches von Alberto Savioia, einem ehemaligen Google Mitarbeiter, vorgestellt wurde, geht es um den Leitsatz "Baue das Richtige, bevor du es richtig baust!".
Pretotyp = "Wie baue ich das Richtige?"
Prototyp ="Wie baue ich es richtig?"
Versuche also mit minimalem Aufwand, den Kern deiner Idee umzusetzen.Wenn es sich dabei um eine App oder Webanwendung handelt, entwickle einfach einen sogenannten Click-Dummy. Dieser sollte sich visuell kaum von einem echten Produkt unterscheiden. Der einzige Unterschied zur richtigen Anwendung ist jedoch, dass der Click-Dummy keine Funktionalität besitzt. Solch einen Pretotyp kannst du zum Beispiel mit dem kostenlosen Tool Figma oder Adobe XD erstellen. ****
Entwickle eine Story um deinen Pretotyp herum, die du später mit Testpersonen durchspielst. Hier zum Beispiel eine angelehnte Story an die App Instagram.
Nehmen wir an ein Freund hat letztens diese App entdeckt, mit der du in sekundenschnelle Bilder in deinem Netzwerk teilen kannst. Du hast sie heruntergeladen und dich registriert, bist aktuell auf einer Party und dabei ein Foto zu schießen. Hier setzt der Clickdummy an. Wir würden nun den Instagram Feed darstellen sowie die Funktion ein neues Bild zu machen und dieses zu teilen. Gestalte die einzelnen Screens im Designtool lebendig. Verwende keine 0815 Stockbilder, die dann im besten Fall noch nicht einmal zur Thematik passen. Kein "Lorem Ipsum" als Fülltext. Deine Testnutzer sollen das Gefühl bekommen, sie haben eine echte, funktionierende App vor sich.
Bei physischen Produkten ist die Herausforderung etwas größer, aber auch hier gibt es Mittel und Wege. Handelt es sich um ein sehr kleines Produkt? Möglicherweise lässt sich dieses in relativ kurzer Zeit über einen 3D-Drucker in Wirklichkeit verwandeln. Falls nicht, besteht auch die Möglichkeit eine Präsentation anzufertigen, die für ein Verkaufsgespräch genutzt werden kann.
Achte darauf deinen Pretotyp innerhalb von ein bis zwei Tagen fertigzustellen und dich nicht in Details zu verlieren. Nur so kommst du mit der Validierung deiner Idee schnell voran.
Nur weil du davon überzeugt bist, dass dein Pretotyp zu 100 % die Erwartungen deiner Nutzer erfüllen wird, bedeutet es nicht, dass deine Testnutzer genauso denken. Du gehörst nicht zu deiner Zielgruppe! Es wird passieren, dass deine Testnutzer Dinge identifizieren, mit denen sie sich nicht anfreunden können und es liegt an dir diesen Bereich dann zu überarbeiten. Versuche dein Ego in solchen Situationen zurückzustellen und Veränderungen zu akzeptieren. Mir ging es definitiv schon mehrere Male so und auch ich musste mich überwinden. Deine erste Version des Pretotyps wird niemals identisch mit dem Endprodukt sein. Sei dir dessen von Anfang an bewusst.
Es soll ein bisschen so sein als schauen wir in die Zukunft. Wie kommt mein Produkt oder meine Dienstleistung an, wenn Kunden davon erfahren und es/sie in Anspruch nehmen.
Wie bereits zu Beginn beschrieben, ist es essenziell, dass du mit deiner Idee auf deine Zielgruppe zugehst. Sie gibt dir wertvolles Feedback und zeigt dir auf, ob dein Produkt oder deine Dienstleistung eine reelle Chance auf dem Markt hat. Gleichzeitig schnürst du die Neugierde bei deinen Testnutzern und findest mit Glück schon deinen ersten interessierten Kunden.
Um deine Idee zu validieren wird der Pretotyp deiner Zielgruppe vorgeführt. In der Regel geschieht dies in 30-45 minütigen 1:1 Interviews. Handelt es sich bei deinem Pretotyp um einen Clickdummy oder eine Verkaufspräsentation, kann ein Zoom Meeting / eine Videokonferenz ausreichend sein. Bei einem physischen Produkt hingegen, ergibt es Sinn, wenn sich beide Parteien im selben Raum befinden.
Deine Testnutzer akquirierst du entweder über private Kontakte, Social Media Netzwerke oder auch zum Beispiel eBay Kleinanzeigen. Am Besten eignen sich hier für deine Zielgruppe spezifische Facebook Gruppen oder dein LinkedIn Netzwerk. Besteht ein entsprechendes Budget, können Testpersonen mit einer kleinen Gegenleistung, wie zum Beispiel einem Amazon Gutschein, ermuntert werden am Test teilzunehmen.
Es reicht aus insgesamt 5 Nutzer zu befragen, denn laut dem Usability-Guru Jacob Nielsen deckt man mit 5 befragten Personen bereits 80 % der existierenden Usability Problemen ab. Aus eigener Erfahrung kann ich hier nach diversen User Testings bedenkenlos zustimmen. Vermeide bitte die Befragung von Menschen aus deinem engsten Umkreis. Die bestehende Beziehung kann das Interview negativ beeinflussen, da wie eingangs schon erwähnt, möglicherweise nicht kritisch genug auf dein Produkt oder deine Dienstleistung eingegangen wird.
Das Gespräch findet in Form eines "5 Act" Interviews statt. Es besteht aus den folgenden 5 Teilen:
Die Begrüßung erfüllt den Zweck, deine Testperson und dich miteinander bekannt zu machen. Stelle ein oder zwei auflockernde Fragen, um für eine entspannte Atmosphäre zu sorgen. Anschließend erläuterst du wie das Interview ablaufen wird.
Bevor ihr mit dem Preto-/Prototyp startet, solltest du ein paar ausgewählte Fragen zum allgemeinen Verhalten deines Gegenübers im Bezug auf das Thema deines Produkts/ deiner Dienstleistung eingehen, um Hintergründe zu erfahren. Hier können sich einige interessante Dinge ergeben. Möchtest du zum Beispiel eine Fitness-App testen, ergibt es Sinn, auf die Sportroutinen deiner Testperson einzugehen. Lass dein Gegenüber ein bisschen von sich erzählen.
Sind deine Fragen beantwortet, könnt ihr zum nächsten Punkt übergehen. Lass deine Testperson wissen, dass es sich nicht um einen Test handelt und es kein "richtig" oder "falsch" gibt. Dein Gegenüber soll sich wohlfühlen, statt Druck zu empfinden, wenn es darum geht, dir Feedback zu geben.
Startet ihr damit den Preto/ Prototyp zu testen, gib deiner Testperson immer wieder kleine Aufgaben, um zu verstehen, wie sie durch den Pretotyp navigiert oder Dinge wahrnimmt. Frage sie, was sie sieht, was sie denkt, was ihr ins Auge sticht. Wichtig: Stelle offene, statt Ja oder Nein Fragen. Versuche die Hintergründe für Entscheidungen zu verstehen und stelle gezielt Fragen, die du durch das Testen deines Konzepts beantwortet haben möchtest.
Habt ihr den Hauptteil des Interviews hinter euch gebracht, hast du sicherlich einiges an nützlichen und wertvollen Informationen gewonnen. Lass deinen Gegenüber zum Abschluss noch einmal zusammenfassen, was er/sie über dein Konzept denkt. Was hat deiner Testperson besonders gefallen, was eher weniger?
Wichtig ist, dass du das Interview mithilfe eines Guides gründlich vorbereitest. Mach dir Gedanken über die Dinge die du gezielt testen und validieren möchtest. Vielleicht eine bestimmte Funktion, ein Ergebnis oder ein Preismodell. Überlege dir gezielte offene Fragen die du im Laufe des Interviews stellst.
Wir haben für dich einen kostenlosen "5 Act Interview" Guide erstellt. Der Guide gibt dir eine klare Struktur für dein Interview vor und so weißt du genau was du sagen und welche Fragen du stellen musst. Du kannst ihn ganz einfach mit deinen individuellen Fragen ergänzen.
Ich hoffe, ich konnte dir einen Einblick geben, wie du einfach und in kurzer Zeit deine Geschäftsidee testen kannst und wünsche dir viel Erfolg dabei!